Heft 10

Einsamkeit

Heftverantwortung:  Anja Hartung-Griemberg & Bernd Schorb



Abstracts der Themenschwerpunkt-Artikel

 

Anja Hartung-Griemberg

„Wenn Du alt bist, fängst Du neu an“: Einsamkeitserleben und Fremdheitserfahrungen im Alter unter der Perspektive von Medialität

In einem phänomenologischen Verständnis können wir Einsamkeit als subjektive Wahrnehmung von Fremdheit verstehen. Als relationales Phänomen manifestiert sich diese in unterschiedlichen Spaltungen des individuellen Selbst-Weltbezugs, die im höheren Lebensalter besonders radikal erfahren werden. Im Beitrag werden drei Relationen benannt, die unter den Bedingungen der mediatisierten zeitgenössischen Gegenwart, Erscheinungsformen von Einsamkeit begründen können: Fremdheit als Ambigutät von Bewusstsein und Körper, Fremdheit als soziales Verlusterleiden sowie Fremdheit als Erfahrung des gesellschaftlichen Wandels. Ausgehend von der Annahme,

dass mediale Entwicklungszüge nicht nur einen Verlust vertrauter Erfahrungsräume bedingen, mündet diese Darstellung in Überlegungen, die Potenziale für neue Lebensformen, neue (medienvermittelte) Partizipationsformen, aber auch für Lern- und Bildungsprozesse ausloten.

 „If you are old, you start from scratch.“ – Experiences of loneliness and alienation in older age under the conditions

of mediatized life worlds

In a phenomenological context, we can understand loneliness as a subjective experience of alienness. As a relational phenomenon, it manifests itself in various divisions of the individual sense of self in relation to the world, which represent a particularly radical experience for older people. This paper identifies three relations which – under the conditions of the mediatized contemporary present – can account for the forms in which loneliness manifests itself: alienness as an ambiguity of consciousness and body, alienness as a social way of suffering loss, and alienness as an experience of societal change. Starting with the assumption that media developments do not only entail a loss of trusted experiential spaces, this illustration culminates in reflections on the potential for new forms of living and new (media-transmitted) forms of participation, as well as for processes of learning and education.


Bernd Schorb

Von der Einsamkeit und dem Flüstern der Ewigkeit: Ein Essay


Bernd Schorb

Interview mit Ursula Kalb von der Gemeinschaft Sant’Egidio


Thomas Klie

Altern als individuelle und gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe: Differenzierungen des Zusammenhangs von Einsamkeit und Alter

Einsamkeit und das höhere Lebensalter werden alltagstheoretisch recht selbstverständlich miteinander verknüpft. Empirische Befunde zeigen ein wesentlich differenzierteres Bild. Zwar verändern sich im Alter soziale Netzwerke. Dabei kommt es aber weniger auf die Quantität, sondern vielmehr auf die Qualität sozialer Bindungen an. Jene Erkenntnisse über differenzierte Altersbilder zugänglich zu machen, ist nicht zuletzt eine Aufgabe der Medien. Staatlicherseits besteht eine zentrale Herausforderung darin, Menschen in prekären Lebenssituationen in der Gestaltung ihrer sozialen Netzwerke zu unterstützen und Lebensbedingungen zu schaffen, die ihnen Teilhabe und soziale Integration eröffnen. Für vulnerable ältere Menschen wird es in der Zukunft ausgesprochen wichtig sein, dass sie und ihre pflegenden Angehörigen in einer Kultur der Sorge vor Ort eingebettet sind. Eine solche Kultur schützt vor Ausnutzung, vor Bedeutungsverlust und Einsamkeit.

Ageing as individual and societal organizational task: On the complex relations between loneliness and old age

The topics loneliness and (old) age are commonly connected. The empirical findings reveal a much more differentiated picture: social networks in older age are subject to change, there are significant changes in its meaning. What therefore counts is the quality of the social networks not the quantity. An important task of the media is to spread these scientific collections regarding differentiated images of age. As far as the state is in charge there can be seen a central challenge in supporting people – finding themselves in precarious life situations – creating their social networks and to provide for living conditions, which open paths of participation and social integration. With respect
to vulnerable elder people it will be of high interest in the future that they themselves as well as their caring relatives are embedded in a local culture of care. This culture of care will protect against exploitation, loss of importance and loneliness.


Alfons Aigner

Einsamkeit oder von der Angst vor dem Verlust gesellschaftlicher Anerkennung: Der Stellenwert von Medien in Prozessen der Identitätsarbeit alternder Unternehmer/-innen

Das Dasein von Unternehmer/-innen wird in der Regel nicht mit Einsamkeit assoziiert. Unternehmer/-innen gelten als privilegiert, anerkannt und mit allen Ressourcen ausgestattet, die ihnen ein sinnerfülltes und genussvolles Leben ermöglichen. Die Ausführungen des Beitrags zeichnen ein anderes Bild. Zwar verfügen Unternehmer/innen in Hinblick auf die Ausgestaltung des eigenen Alters über einen erweiterten Handlungsspielraum; das bedeutet jedoch nicht, dass sie von den allgegenwärtigen gesellschaftlichen Leitbildern der Erneuerung und jugendlichen Vitalität unberührt

bleiben. Besonders deutlich zeigt sich dies im generationellen Gefüge von Unternehmerfamilien, in der das unternehmerischen Selbst immer wieder um seine Anerkennung kämpfen muss.

Loneliness or the fear of losing social recognition: The role of media in identity work processes of ageing entrepreneurs

Relations between loneliness and entrepreneurship are rarely analyzed. By and large, entrepreneurs are seen as privileged, socially recognized, and equipped with resources enabling a meaningful and enjoyable life. This paper gives a different picture. Even though entrepreneurs may have extended scopes of acting, they are affected as well by contemporary images of regeneration and juvenile vigour. Especially with regard to the generational order in entrepreneurial families, the entrepreneurial self has to struggle for recognition.