Heft 1

Perspektiven der Medien- und Alternsforschung

Heftverantwortung: Anja Hartung



Abstracts der Themenschwerpunkt-Artikel

 

Anja Hartung

 

Alter(n) als Gegenstand medienbezogener Forschung und Praxis in Deutschland

Überblickt man den gegenwärtigen Stand von Forschung und Praxis, so lässt sich einschätzen, dass der Konnex ‚Medien und Alter(n)’ zwar zunehmend Beachtung erfährt, bislang allerdings nur ausgesprochen temporär, disparat und undifferenziert in den Blick genommen wurde. Im Beitrag werden Zyklen altersbezogener Medienforschung und -praxis in ihrem Wechselverhältnis von gesellschaftlichen und medialen Wandlungsprozessen, wissenschaftlichen Erkenntnisinteressen sowie Theoriebildung und Praxismodellen nachgezeichnet. Mit dem Ziel, Bedarfe und Anknüpfungspunkte für Forschung und Praxis auszuloten, wird damit zugleich ein einführender Überblick über den Gegenstandsbereich vermittelt.

 

Age(ing) as a subject of media research and practice in Germany

Despite its increasing importance, the relationship between ‘media and age(ing)’ up to now has only been discussed briefly, disjointedly and indiscriminately as far as research and practice are concerned. The article illustrates cycles of age-based research and practice with regard to their interdependence of social and media-related processes of change, scientific research interests as well as theory construction and practice models. Aiming to discuss objectives, needs and connecting factors, it also provides an introductory overview on the subject.

 


Hans-Dieter Kübler

 

Digital Immigrants, silver surfer – oder digital prudents? Sekundäranalytische Sondierungen über defizitäre oder differenzierte Medienkompetenzen der älteren Generationen

Ausgehend von der Stereotypisierung der Mediennutzung älterer und jüngerer Menschen, wie sie sich in begrifflichen Etiketten wie „digital immigrant / native“ spiegelt, geht der Beitrag der Frage nach, worin sich die Generationen tatsächlich unterscheiden, was sie eint, und was in Zukunft an Zugängen nötig ist, um die Mediennutzung älterer Menschen angemessen zu erfassen. Gerade in jüngerer Zeit wächst das Bewusstsein, dass das Kriterium Alter allein immer weniger Aussagekraft hat. Vor diesem Hintergrund ist eine differentielle Medienforschung geboten, die sich den unterschiedlichen Lebenslagen, sozialen und kulturellen Hintergründen älterer Frauen und Männer annimmt.

 

Digital immigrants, silver surfers – or digital caution? A secondary analytical exploration of the deficient or differentiated media competence of the older generation

Based on the stereotyping of media use by the old and the young, as expressed by labels such as “digital immigrant/native”, the article explores how the generations differ, and the approaches needed in the future to measure media use by the older generation. In recent years it has become apparent that the criterium ‘old’ has lost its validity. In this context a differentiated media research is demanded, which takes into account the social and cultural circumstances and backgrounds of older men and women.

 


Katja Patzwaldt & Ursula M. Staudinger

 

Medien und Altern: Forschungsperspektiven zur produktiven Entwicklung Erwachsener

Altern ist ein Prozess lebenslanger Entwicklung, der sich aus dem Zusammenspiel mehrerer innerer und äußerer Kontexte erklärt. Medien sollten als Bestandteile solcher Kontexte aufgefasst und analysiert werden. Dazu bedarf es entsprechend interdisziplinärer Ansätze. Besondere Bedeutung kommt Entwicklungskontexten wie der Arbeitswelt, der Gestaltung des sozialen Miteinanders und anderer Bereiche produktiver menschlicher Tätigkeit zu, die durch Mediennutzung fundamental verändert werden können. Forschung an der Schnittstelle von Altern und Medien sollte zentral die Funktion von Medien für die Entfaltung bzw. Einengung produktiver Entwicklung untersuchen.

 

Media and the older generation: research perspectives on the productive development of adults

Aging is a process of lifespan development, characterized by the interplay of various internal and external contexts. Media should be regarded as part of such contexts. Interdisciplinary research is needed to capture the full complexity of development. The field of employment and engagement in civil society, as well as other areas of productive human activity, deserve special attention. They can be fundamentally altered by the use of media. Research on ageing and media should focus on the role of media to help or hindrance to productive development.

 


Harm-Peer Zimmermann

 

Dimensionen anderen Alterns: Differenzialität – Othering – Alterität

Wandel, Offenheit und Vielfalt von Lebensmöglichkeiten bis ins hohe Alter haben enorm zugenommen. Dass Menschen unterschiedlich altern, ist zur Selbstverständlichkeit geworden; und ‚anders‘ zu altern scheint ein gesellschaftlich wie wissenschaftlich prägendes Leitbild zu sein, das nicht zuletzt die ‚differenzielle Gerontologie’ anleitet. Allerdings ist fraglich, ob die beobachtbaren Differenzierungen und die zugehörigen Differenzierungsbegriffe es überhaupt rechtfertigen, von anderem Altern zu sprechen, die optimistischen Bilder ‚aktiven, produktiven und erfolgreichen’ Alter(n)s nicht mit Zwängen verbunden sind, die einerseits auf das Gegenteil von Andersheit hinauslaufen – auf Normalisierung –, und die andererseits insbesondere das hohe Alter zum Anderen machen („othering“). Im Beitrag werden Problematiken und Dimensionen von Differenzialität aufgezeigt, ihre reduzierte Form und paradoxen Konsequenzen unter dem Begriff „othering“ analysiert und schließlich die Dimension der Alterität bedacht.

 

Ageing alternatively: Differential Gerontology - Othering - Alterity

Change, openness and the variety of possibilities of life in old age have increased enormously. That people age differently is now taken for granted; ‘alternative’ ways of growing old have become social and scientific concepts, resulting in a “differential gerontology”. It remains doubtful, however, whether the observable differentiation and the associated terminology justify referring to a different ageing: whether the optimistic images of “ active, productive and successful’ ageing are not tied to pressures which on the one hand imply the opposite of alternative - normalization-, and on the other hand treat extreme old age as completely different (“othering”). In the article the problems and extent of differentiality are highlighted, their reduced form and paradoxal consequences within the context of “othering” are analysed and in conclusion, the dimensions of alterity are considered.

 


Klaus R. Schroeter

 

Korporale Theatralität: Spielräume und Performanzen auf den Bühnen des Alters

Der Beitrag entfaltet ein Verständnis korporaler Theatralität, dass Doing Age als Konstruktionsprozess auf symbolischer, interaktiver, materiell-somatischer und leiblich-affektiver Ebene begreift. Körper sind hierbei sowohl als Produkte als auch Produzenten von gesellschaftlicher Wirklichkeit positioniert; werden sowohl als Einschreibungsflächen gesellschaftlicher Diskurse als auch als Ausdrucksflächen und Resonanzboden menschlicher Expressivität gedeutet. Medien sind in die Performanz und Inszenierung von Körpern eingelassen, insofern sie Diskurse prägen, Alters- und Körperbilder vermitteln, aber auch menschliche Expressivität erweitern können. Zunächst wird das heuristische Rahmenkonzept des Doing Age als ein Aspekt der Verwirklichung des Alterns umrissen, sodann auf die sozial ummantelte anthropologische Ausdrucksgestaltung der korporalen Theatralität im Alter eingegangen, ehe abschließend ein Vorschlag unterbreitet wird, die im Rahmen der Lebenslagenforschung elaborierten Spielräume um einen zu ihnen ‚quer‘ zu lesenden korporalen Dispositionsspielraum zu erweitern.

 

Body-theatre: scope and performance on the ageing stage.

The article develops an understanding of corporeal theatrality, in which Doing Age is understood to be a constructional process which takes place on symbolic, interactive, somatic and bodily affective levels. The body is seen here as a product, but also as a producer of social identity: as a register of social discourse as well as a sounding-board and a means of human expression. Media are involved in the performance and presentation of the body, not only in that they shape the discourse, convey expressions of age and physical representation, but also enhance human expressivity. Doing Age as an heuristic framework is then outlined as an aspect of the realization of ageing, after which the social and anthropological expression of corporeal theatrality in old age is addressed, before concluding with the submission of a proposal, which can be extended from the scope of social research into that of somatic disposition.

 


Rudolf Kammerl

 

Medien und Altern: Fragen aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive

Sowohl Medienrepertoire und Medienhandeln älterer Menschen als auch deren Bildungshintergrund und Bildungsprozesse werden in den nächsten Jahren einen deutlichen Wandel erfahren. Neben der quantitativen Zunahme älterer Menschen mit längerer Lebenserwartung und viel Zeit zur Mediennutzung ist qualitativ der Wandel zur digitalen Alltagswelt absehbar. Anhand der idealtypischen Unterscheidung zweier Altersphasen werden einige Mediennutzungsformen und Medienbildungsformen skizziert, die aus erziehungswissenschaftlicher Hinsicht Entwicklungspotenzial für eine interdisziplinär ausgerichtete Medienalternswissenschaft enthalten könnten.

 

Media and senior citizens: paedagogic issues

Future generations of 65-plussers will have a longer life-expectancy, a higher formal educational background and will also be familiar with digital media. Dividing old age into two phases, this article outlines several types of media use and media education, which could be essential for a Gerontological Media Science.